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recto: St. Peter: Dachgrundriss, Entwässerungssystem

85.1   Dachgrundriss und Entwässerungssystem

 





       [85.1.1.1] [85.1.1.2]




[85.1.1.3]




[85.1.1.4] [85.1.1.5]




[85.1.1.6] [85.1.1.7] [85.1.2]




[85.1.1.8] [85.1.1.9]




Vorbemerkung: Der Zeichner hatte das Blatt bei der Arbeit – darauf deutet die Orientierung der meisten Zahlenangaben und der Schnittskizze zum Entwässerungssystem [85.1.2.] hin – offensichtlich um 90° nach links gedreht vor sich liegen, so dass der heutige linke Blattrand unten lag, während das Blatt für den Vorbesitzer, der es numerierte, die heutige Orientierung aufwies. Für die Besprechung der Teilbereiche der Zeichnung wird im Folgenden die ursprüngliche Ausrichtung des Blattes vorausgesetzt.

 

85.1.1 Dachgrundriss

POSITION: gesamtes Blatt (bis auf einen schmalen Streifen am rechten Rand)
NUMERIERUNG / POSITION: „12“ / am linken Rand der oberen Blatthälfte, 90° links
TECHNIK: teilweise freihändige Feder in Braun; Lineal, Zirkel; Vorzeichnungen mit Bleistift
HAND: AD
MASSANGABEN / GRUNDMASS: „p 67 2/3“ / „palmo del modello
MASSSTAB: ungefährer Gesamtmaßstab der Zeichnung: 1 : 388

 

 







Beispielwerte
palmi
mm Maßstab












Kuppelfußdurchmesser 299 = 170 1 : 393






Durchmesser der Kreuzarmapsis 274 = 160 1 : 383






Abstand Oktogonturm – Kuppel 156 = 92 1 : 379






Seitenlänge eines Risalits 151 = 73 1 : 462






Anmerkung: Diese unterschiedlichen Beispielwerte zeigen, dass auch die vorliegende Zeichnung keine Reinzeichnung im eigentlichen Sinne darstellt, sondern nur eine vorbereitende Zusammenfassung von Maßwerten und äußeren Merkmalen. Die annähernde Maßstäblichkeit der Zeichnung dürfte weniger auf eine Absicht des Zeichners zurückzuführen als vielmehr eine Folge der Erfordernisse des Dargestellten sein: Die Kombination der Kreis(segment)formen mit den rechteckigen des Baukörpers erforderte natürlich eine gewissen Einheitlichkeit des Gesamtmaßstabes – die jedoch trotzdem nicht streng gewahrt bleibt.

Andererseits ist die hier erreichte, nahezu optimale Ausnutzung des Blattes ohne entsprechende Vorüberlegungen kaum zu realisieren: Im Anschluss an diese wäre jedenfalls eine einheitliche Maßstäblichkeit und damit auch Proportionsgerechtigkeit der Darstellung leicht erreichbar gewesen. – Dass der Zeichner auf sie verzichtete, unterstützt also die hier vorgeschlagene Interpretation und deren implizite Deutung der Zeichnung(en) als mögliche Vorstufen für eine genauere Ausarbeitung z. B. in einem Stich. Die Stauchung von Verbindungs- und Loggientrakt deutet zudem darauf hin, dass der Zeichner wiederum keine Vorlage für den Gesamtbau zu Verfügung hatte, sondern sich seine Darstellung unter Verwendung verschiedener Teilzeichnungen erstellen musste. Sofern ihm diese nicht gleichzeitig zur Verfügung gestanden haben sollten, könnte dies die genannte geringfügige Unmaßstäblichkeit in diesem Bereich erklären.

Kommentar: Die einer Reinzeichnung schon sehr nahe kommende Darstellung zeigt das Dach der Südhälfte, lediglich im Bereich der Westapsis und der Kuppel (sowie, in einer dünnen, freihändig skizzierten Halbkreislinie auch im Bereich der Ostapsis) ragt die Zeichnung in die Nordhälfte des Baues, erfasst dort aber keine wichtigen Details, die nicht schon in der Südhälfte ausführlich dargestellt worden wären.

Die Zeichnung ist in mehrfacher Hinsicht von Interesse: Von Sangallo selbst oder aus seinem Umkreis haben sich keine Zeichnungen zu den Planungen für das Dach erhalten; insofern ist die vorliegende Zeichnung also singulär. Dies gilt auch, wenn man die Salamanca-Stiche berücksichtigt, die von der Zeichnung in mehrfacher Hinsicht abweichen und dabei offensichtlich ein späteres – vermutlich das letzte – Planungsstadium dokumentieren. Am Modell selbst haben sich für das Dach bekanntlich keine direkten Zeugnissen erhalten; es ist sogar fraglich, ob es jemals angefertigt wurde.1

Die Differenzen zu den Stichen, zu anderen Zeichnungen des Codex Destailleur D sowie innerhalb der Zeichnung selbst machen es wiederum wahrscheinlich, dass sich in ihnen nicht nur unterschiedliche Stufen aus der Frühzeit der Planungen für das Dach dokumentieren, sondern diese indirekt auch wiederum die Anwesenheit des Zeichners und sogar seine eventuelle Teilnahme an diesen Planungen erweisen.

Darüber hinaus stellen die hier widergegebenen technischen Details zur Entwässerung zum einen ein starkes Argument für die These dar, dass zumindest einige der St.-Peter-Blätter des Codex Destailleur D die Planungen Sangallos für das reale Baugeschehen dokumentieren – denn detaillierte Überlegungen zur Dachentwässerung einschließlich der versenkten und daher weitgehend verborgenen Abflusskanäle ergäben für ein Holzmodell offenkundig keinen Sinn –, und geben zum anderen einen seltenen Einblick in die Überlegungen der Renaissance-Architekten zu solchen Problemen und die dahinter stehende praktische Erfahrung. Tatsächlich scheint sich keine weitere Zeichnung erhalten zu haben – neben der ebenfalls nur skizzenhaften Andeutung eines Regenwasserabflusses im Tambourbereich des Kuppelquerschnittes von Bl. 267 A der Uffizien2 –, die eine vergleichbare Darstellung eines Dachentwässerungssystems enthält!

Obwohl die Zeichnung die Teilbereiche miteinander verbunden als ein Ganzes darstellt, werden diese – im Anschluss an einige allgemeinere Überlegungen – wie Einzelzeichnungen behandelt, um die Übersichtlichkeit zu erhöhen:

Umrisslinie des Baukörpers: Die Darstellung der Gebäudeecken (sowohl der Eckrisalite wie auch der Türme) erfasst schon die Staffelung mit drei zurücktretenden Stufen, deutet demnach auf eine abgeschlossene Definition dieser Eckgestaltung hin, die – besonders auffällig an den Türmen – dem Bau durch die Häufung senkrechter Linien eine stärkere und offensichtlich beabsichtigte Höhentendenz verleiht, obwohl dies bei der Superposition der Ordnungen in den einzelnen Geschossen zu z. T. erheblichen Komplikationen und Überschneidungen führt.

Dachstruktur: Die Topographie der Dachoberfläche wird durch eine spezielle Gestaltung an den Eckrisaliten, die anscheinend durch die Notwendigkeit eines Gefälles für die Wasserableitung motiviert ist, erheblich verkompliziert: Jeder Eckrisalit erscheint aus diesem Grund als eine Kombination von zwei rechtwinklig aufeinander treffenden Satteldächern, deren Grate sich in einem Scheitelpunkt treffen, welcher frei hinter dem jeweiligen Eckoktogon liegt. Dieses selbst – bzw. sein annähernd quadratischer Unterbau – schneidet in die Außenseiten der Satteldächer ein. Das so zustande gekommene System der Hebungen und Senkungen ermöglicht erst die weiträumige und anscheinend annähernd gleichmäßige Entwässerung des Daches bis an die Außenseite des Tambours, führt aber andererseits zu einer optisch vermutlich eher unbefriedigenden Aufsplitterung der Dachlandschaft für einen fern stehenden Betrachter.

Auffällig ist, dass gerade im Bereich der Benediktionsloggia und des Verbindungstraktes eine der restlichen Zeichnung vergleichbare Genauigkeit der Wiedergabe fehlt: Es dürfte sich dabei wiederum um eine Folge der noch nicht abgeschlossenen Planungen für diesen Bereich handeln.

Eckoktogone: Eine weitere Abweichung zu den Salamanca-Stichen zeigt sich am Übergang zwischen dem Kranzgesims des Hauptbaukörpers und den Eckoktogon-Türmen, die im Stich mit ihrem Sockel direkt auf dem Kranzgesims aufzusitzen scheinen: Ihre Positionierung in der Zeichnung auf einem eigenen, in der Grundform quadratischen Dachareal, das an den Außenseiten jedoch Vorsprünge aufweist, die wie Verkröpfungen eines zwischen Kranzgesims und Oktogon zwischengeschalteten Gesimses aussehen, findet weder im Stich noch im Modell eine genaue Entsprechung. Dagegen fehlt in der vorliegenden Darstellung jeglicher Hinweis auf die Giebel der Eckrisalite, die die Sockelzone der Eckoktogone zumindest teilweise überschneiden müssten und dies in Salamancas Stich auch tun. Demnach lässt die hier dargestellte Situation auf einen deutlich erhöhten Sockel für die Eckoktogone schließen, der im späteren Verlauf der Planungen eliminiert wurde. Interessant ist diese Beobachtung vor allem hinsichtlich des Verhältnisses der über das Dach hinaus ragenden Teile untereinander: Die in der vorliegenden Zeichnung angedeutete Aufsockelung dürfte eine insgesamt größere Höhe zur Folge gehabt haben, wodurch die Oktogon-Türme gegenüber der Hauptkuppel wesentlich deutlicher als ‘Stellvertreter’ der Nebenkuppeln bei gleichzeitig etwas turmartigerem Charakter exponiert worden wären. Aufgrund der hier weitgehend klaren Form der Prismenkegel-Gruppen seitlich der Eckoktogone kann die Darstellung nur nach Bl. 86 entstanden sein. Dafür sprechen auch die relativ einfache Widergabe sowie das weitgehende Fehlen von Maßangaben – sie waren aufgrund der schon vorhandenen Zeichnungen offensichtlich nicht notwendig.

Dachgauben: Unter den mit Feder ausgeführten Zeichnungen der Dachgauben mit den Lichtschachtöffnungen finden sich Graphitvorzeichnungen, die in den Dimensionen und Formen von der Ausführung in Feder abweichen. Die Grundrisse der Lichtschachtöffnungen sind z. T. mit Zirkel ausgeführt, ragen im Gegensatz zum Salamanca-Stich jedoch weit unter den sie eigentlich vor Witterungseinflüssen schützen sollenden Gauben hervor und sind – wie auch die Mittelschächte der Oktogon-Türme – durch Schraffur deutlich als nach oben offen gekennzeichnet.

Anders als im Salamanca-Stich scheinen die Gauben über den Kreuzarmen jeweils mit eigenständiger Bedachung aus dem Dach hervorzutreten. Sie sind hier viel größer wiedergegeben als die – im Stich gleich großen – Gauben über den Apsiden, obwohl ihre Maße diejenigen der letzteren nur geringfügig übersteigen: Ihre Breite ist mit „p 21 1/2“, die Gesamtlänge mit „p 16“ + „p 15“ = 31 palmi angegeben, der Durchmesser der Lichtschachtöffnungen mit „p 10“, obwohl diese nur geringfügig kleiner dargestellt sind als die Gauben selbst und mit Zirkel ausgeführt wurden. Die Unmaßstäblichkeit lässt sich mit dem vermutlichen Bestreben des Zeichners begründen, einzelne der Gauben beispielhaft in aller Klarheit darzustellen, auch wenn diese gegenüber der restlichen Darstellung dadurch unverhältnismäßig groß erscheinen. Für die Apsidengauben, die im Übrigen über West- und Südarm unterschiedliche Formen haben, beträgt der Durchmesser der Lichtschachtöffnungen „p 9 2/3“, die Breite der Gauben „p 18“. Diese Unterschiede könnten ebenso wie die stark abweichenden Bleistiftzeichnungen darauf hindeuten, dass die Form der Apsidengauben schon feststand, während die Kreuzarmgauben erst im Zuge der Erstellung der vorliegenden Zeichnung definiert wurden.

Aber auch die unterschiedlich geformten Apsidengauben bzw. die Bedachungen über den Apsidenöffnungen zeigen möglicherweise eine Änderung im Planungsprozess an: Während am Südarm ein durchgehendes, halbkreisförmiges Band die Öffnungen zu überfangen scheint – man wird sich hier also wohl eine Abstufung oder Sicke im Dachverlauf vorzustellen haben –, trägt am Westarm jede Lichtschachtmündung ihre eigene Gaube. Da dies auch der Zustand ist, den der Salamanca-Stich wiedergibt, ist dieser wohl der spätere und also vermutlich in der vorliegenden Zeichnung als Planänderung gegenüber dem Südarm festgehalten. Dafür spricht auch, dass am Südarm keine Maßangaben für die Gauben oder die Dachsicke erscheinen: Vermutlich wurde also schon vor einer endgültigen Definition mit genauen Festlegungen der Maße eine wohl eher funktionell als ästhetisch motivierte Entscheidung für Einzelgauben getroffen, denn die Sicke hätte eine Art Wasserscheide auf dem Dach ausgebildet, während die Einzelgauben nur eine vergleichsweise geringe Behinderung des Abflusses darstellen.

Auffällig ist eine weitere Abweichung zum Stich: In der Bedachung der Eckbauten erscheinen jeweils zwei Gauben, die denjenigen der Kreuzarme entsprechen und sowohl zur Beleuchtung der direkt darunter liegenden Räume (durch schräge Lichtschächte also wohl für die Obergeschossräume der Eckrisalite) dienen könnten, als auch zur Beleuchtung der äußeren zwei der vier oktogonalen Nebenräume, die jeweils eine Nebenkuppel umgeben. Allerdings sind deren Scheitelöffnungen in Bl. 82 eindeutig als nicht überdacht dargestellt. Da diese Gauben in den Stichen nicht erscheinen, dürften die Öffnungen also im Zuge der weiteren Planungen und der ‘Einebnung’ des Daches fortgefallen seien.

85.1.1.1 Loggientrakt

Die mit Lineal ausgeführten Graphitvorzeichnungen im Bereich des Loggientraktes und des Südturms zeigen diese deutlich größer, aber auch viel enger beieinander, als die Ausführung mit Feder und Tinte. Da die Längen der sich gegenüberliegenden Körperkanten aber übereinstimmen, dürfte diese Abweichung keine Folge eines ursprünglich kleineren Maßstabs sein, in dem der Zeichner begonnen hat und den er zugunsten eines größeren aufgegeben hätte. Denn dann ließe sich der extrem geringe Abstand zwischen Turm und Loggia nicht erklären. Auch lässt diese Änderung sich kaum durch eine eventuell beabsichtigte Platzersparnis erklären, da bei der Größe des Blattes genug Raum zur Verfügung stand. Also wird man entsprechend auch hier annehmen dürfen, dass zum Zeitpunkt der Vorzeichnungen noch keine endgültige Definition für den Fassadenbereich vorlag.

Diese Vermutung stützen auch die anderen Unsicherheiten in diesem Bereich: So die Platzierung eines kleinen Oktogons auf dem Mittelrisalit der Loggia selbst, der zudem einen Fehler in der Positionierung der ihn umgebenden Kegel aufweist: Währen an drei der sich diagonal gegenüberstehenden Oktogonseiten jeweils zwei Kegel erscheinen, weist die südwestliche Ecke nur einen auf. Dies deutet auf eine Unschlüssigkeit darüber, ob dieses kleinere Oktogon – in Anlehnung an die Prismenkegelpaare der größeren Oktogon-Türme der Eckbauten – ebenfalls von Kegelpaaren umgeben werden sollte oder – in Anlehnung an die immer wieder auftretende, quincunx-artige Grundstruktur der vier um ein zentrales Element angeordneten Kegel/Kandelaber – lediglich mit vier Kegeln. Tatsächlich erweist sich dieses Problem als nicht trivial: Die letztgenannte Lösung hätte der geringeren Größe dieses Oktogons und der räumlich beengten Situation seitlich des Mittelgiebels sicherlich eher entsprochen, in ästhetischer Hinsicht aber – verstärkt durch die Nähe des großen Oktogons über dem Nebeneingang – die Diskrepanz in der unterschiedlichen Gestaltung der Gruppen deutlicher und vor allem unbefriedigender hervortreten lassen.

Diese Oktongongruppe erscheint zwar nicht in den also offensichtlich später zu datierenden Stichen und Zeichnungen, jedoch in der perspektivischen Skizze der Fassade auf dem Recto des angefügten Teilblattes von Bl. 76.3 Jene Skizze liefert auch eine Erklärung dafür, warum in der vorliegenden Zeichnung zwar der Grundriss der gesamten Gruppe als annähernd quadratisch dargestellt ist, die angegebenen Maße jedoch ein sehr langgestrecktes Rechteck mit „p 7“ Breite und „p 21“ Tiefe anzeigen: Diese Diskrepanz ist in der Fassadenskizze dadurch – annähernd – ausgeglichen, dass sich dort zwei Oktogone hintereinander zu einer Gruppe zusammenfügen. Auch hier dürfte vermutlich ein Planungswechsel stattgefunden haben, der es naheliegend erscheinen lässt, dass die Skizze auf Bl. 76r nach dem hier vorliegenden Grundriss entstand.

Der an den Fassadengiebel anschließende rechteckige Bereich scheint das Dach der Benediktionsloggia zu bezeichnen, dessen Gesamtbreite – aufgrund der hier angegebenen „p 40 12“ – 81 palmi beträgt. Dieser Dachbereich ist von dem Areal des Oktogon-Turms über dem südlichen Seiteneingang der Fassade durch einen „p 5“ breiten Streifen getrennt. Seine Funktion ist jedoch nicht eindeutig zu bestimmen. Der hier zu erwartenden Höhenunterschied zwischen dem an den Mittelrisalit anschließenden Dach und dem zurückgesetzten Seitenrisalit lässt die Vermutung zu, dass es sich hier weniger um eine Mauer als um die Deckfläche eines Gesimses handelt, das die trennende Mauer bekrönt.

Die Unsicherheit in der Interpretation des gesamten Abschnittes beruht auf letztlich nicht eindeutigen Darstellungen, die ihre Ursache möglicherweise in einer – zum Zeitpunkt der Entstehung der vorliegenden Zeichnung – noch nicht abgeschlossenen Planung haben dürften.

Oktogon über dem südlichen Nebeneingang des Loggientraktes: Das Oktogon stellt eine Übertragung der Oktogon-Ecktürme des Hauptbaukörpers dar; die Durchmesserangabe „p 66“ entspricht derjenigen in Zeichnung [86.1.1]. Die gegenüber den Versuchen zur Definition besonders der Prismenkegelgruppen in [86.1.2] hier und in den anderen beiden Oktogon-Gruppen deutlich fortgeschrittenere Gestalt legt zudem den Schluss nahe, dass Bl. 86r vor Bl. 85r entstand.4 Da die vorliegende Gestaltung zudem Rücksicht auf den geringeren zur Verfügung stehenden Raum nimmt und dort keine zusätzlichen Kegel bzw. Flammenschalen auf balusterförmigen Kandelabern mehr eingefügt werden, wäre auch dies ein Argument für diese relative Datierung der beiden Blätter untereinander.

85.1.1.2 Südturm

Der Turm ist offensichtlich – in Analogie zum nebenstehenden Eckrisalit – auf der Höhe des Dachansatzes, also oberhalb des unteren ionischen Geschosses, horizontal geschnitten, ohne dass allerdings Einzelheiten seiner Ordnung deutlich würden. Wie schon erwähnt zeigt die Graphitvorzeichnung einen deutlich nach Osten und Norden vergrößerten Turm, der dadurch dem Loggientrakt sehr nahe kommt. Aber auch diese Vorskizze weist schon die Merkmale der mit Feder ausgeführten Fassung auf. Als deren wichtigstes ist die dreifache Staffelung der Ecken zu sehen.

Im Inneren des Turmes zeigt die Graphitvorzeichnung noch ein an den Ecken leicht zum Oktogon abgeschrägtes Quadrat, während die Federzeichnung darüber ein Rechteck skizziert. Während die Vorzeichnung also den Reinzeichnungen der Blätter 87r und 88r entspricht, geht die im Innenbereich freihändige Feder darüber hinweg: Entweder, weil hier eine kleine Planänderung vorliegt, oder aber, weil dem Zeichner dieses Detail momentan unwichtig erschien. Es könnte jedenfalls darauf hindeuten, dass Bl. 85r nach den genannten Blättern entstanden sein dürfte. Aus demselben Grund scheint der Zeichner die Maßangaben fortgelassen zu haben, die nur in diesem Bereich der Gesamtzeichnung vollständig fehlen – vielleicht, weil der Zeichner sie an anderer Stelle schon festgehalten hatte.

 

85.1.1.3 Verbindungstrakt

Der Verbindungstrakt – im Modell und den Stichen durch einen oben offenen Raum über der mittleren Flachkuppel der Quincunx im Erdgeschoss gekennzeichnet – erscheint in der vorliegenden Zeichnung stark verkürzt und nahezu ohne erkennbare Gliederung: Die Graphitvorzeichnung, die auf eine Wand hindeutet, kann mit Blick auf die anderen Vorzeichnungen und ihre z. T. erheblichen Differenzen zur Ausführung mit Feder nicht als verlässlich angesehen werden. Die – nicht eindeutig zu interpretierende – Eintragung der diesen Bereich umgebenden Wände zeigt aber an, dass schon in diesem Planungsstadium hier eine Art ‘Lichthof’ für die Beleuchtung des Ostarms vorgesehen war, dessen Seitenwände durch die mit Giebeln versehenen Abschnitte der unteren Ionica ausgezeichnet wurden: Die Blendfunktion dieser Wände verdeutlich ebenso wie die seitliche Öffnung der Quincunx im Erdgeschoss – die somit keinen wirklich geschützten Verbindungsraum darstellte – mit ihrer weitgehenden Funktionslosigkeit, dass die Vorverlagerung der Eingangsfassade mit der Benediktionsloggia von Architekt und Bauherr als ebenso wesentliches Element des Bauwerks angesehen wurde, wie die auch äußerlich nachvollziehbare Erhaltung der Zentralbaugestalt des Hauptbaus.

 

85.1.1.4 Ostarm

Vom Ostarm ist nur eine der deutlich erkennbar überdimensionierten Dachgauben sowie – als ein nur hier erscheinendes Element – östlich neben der Apsis eine Wendeltreppe eingetragen, deren Abstände zum Kuppeltambour („p 150“) und zur Ost-West-Symmetrieachse des Gesamtbauwerks („p 37“) zusammen mit dem Durchmesser („p 18“) angegeben sind. Da eine genauere Lokalisierung relativ zur umgebenden Bausubstanz fehlt, kann nur vermutet werden, dass diese Spindel sich in dem südlich des Haupteingangs im Apsisscheitel gelegenen Pfeiler befindet. Sie entspricht vielleicht jenen Treppenspindeln, die Letarouilly in seinem Grundriss in den kuppelseitigen Pfeilern des Verbindungstraktes angibt. Deren Zugänge liegen jeweils in den hexagonalen5 Nebenräumen der Quincunx des Verbindungstraktes.

Das Vorhandensein dieser wenn auch nicht sehr zuverlässigen kleinen Skizze unterstreicht wiederum, dass in Sangallos Umkreis nicht nur für das Modell geplant wurde, an dem eine solche Treppe keinen Sinn ergeben hätte und herstellungstechnisch sicherlich unverhältnismäßig kompliziert gewesen wäre, sondern für den realen Bau selbst, an dem diese Treppe als Zugang zum Lichthof über dem Verbindungstrakt z. B. während der Errichtung des Baus eine durchaus sinnvolle Funktion gehabt hätte.

85.1.1.5 Südost-Eckrisalit mit oktogonalem Eckturm

Neben dem schon in der Einleitung zur Besprechung dieser Zeichnung S. § Gesagten ergeben sich zu dem hier vorliegenden Teilbereich der Zeichnung keine wesentlichen Ergänzungen. Gegenüber der sorgfältigen Ausführung des Südwest-Oktogons und auch desjenigen über dem Nebeneingang des Loggientraktes fällt lediglich auf, dass das Südost-Oktogon nur flüchtig, ohne die meisten Details und in einem kleineren Maßstab skizziert ist. Dies kann als Hinweis darauf interpretiert werden, dass der Zeichner die vorliegende Teilskizze später ausführte, als alle wesentlichen Details schon in den beiden anderen Bereichen fixiert waren. Entsprechend werden hier z. B. auch nur einige wenige Maße zur Dachlandschaft nachgetragen.

Einen deutlichen Unterschied zum Südwest-Risalit stellt die Berührung des diesen Dachbereich begrenzenden Entwässerungskanals mit der Umrisslinie des Tambours dar. Dies lässt sich aber im Rahmen der Unmaßstäblichkeit der Zeichnung als ein Flüchtigkeitsfehler interpretieren und dürfte daher nicht als tatsächlicher Unterschied der beiden Bereiche verstanden werden. Dafür spricht auch, dass diese Situation in den Graphitvorzeichnungen gerade umgekehrt ist: Dort reicht der Entwässerungskanal des Südwest-Oktogons direkt an den Tambour, während der des Südost-Oktogons einen geringfügigen Abstand einhält.

Derselbe Grund – Skizzenhaftigkeit der Darstellung – dürfte sich für die hier im Gegensatz zu den beiden anderen Oktogonen beobachtbare Inköhärenz bei der Zuordnung der Nebenkegel und der davor sichtbaren Sockel – bei denen es sich wohl um diejenigen des Mezzaningeschosses handelt – anführen lassen.

 

85.1.1.6 Kuppel und Tambour

Auffälligerweise ist der Dachbereich der Kuppel in der vorliegenden Zeichnung bis auf die Pfeiler der Balustraden auf den Umgängen unter- und oberhalb des Tambours noch nicht formuliert: Hinweise auf die Laterne fehlen vollständig. Bei den Balustraden fällt zudem auf, dass eine exakte axialsymmetrische Übereinstimmung nicht eingehalten wird. Ihre freihändig eingetragenen Hauptstützen und Baluster – 13 Baluster pro Segment in der unteren, nur 5 in der oberen Galerie – stimmem zudem mit dem Modell nicht überein. Der Tambourdurchmesser ohne die untere Balustrade wird mit „p 299“ angegeben. Damit dürfte dieser Teilbereich der Zeichnung so zu interpretieren sein, dass eine genauere Definition des Kuppelbereichs entweder noch nicht vorlag oder aber eine entsprechende Darstellung auf einem anderen Blatt vorlag. Nimmt man die aufgrund der Dachgauben und der hier vermuteten ursprünglichen Aufsockelung der Eckoktogone unterstellte Datierung des vorliegenden Blattes vor Bl. 76r an, so wird das Fehlen von Details zur Kuppel selbst in der vorliegenden Zeichnung durchaus verständlich, da die Skizzenhaftigkeit des Kuppelbereichs in Bl. 76r auf eine selbst dort noch nicht abgeschlossene Planung hindeutet: Lediglich die Zweigeschossigkeit des Tambours scheint schon hier festgelegt gewesen zu sein.

 

85.1.1.7 Südarm

Neben dem schon zur Dachlandschaft und zu den Gauben weiter oben Gesagten ist hier nochmals auf die auffälligste Eigentümlichkeit dieses Teilbereichs hinzuweisen: das durchgehende, schraffierte Band, welches die in die Apsis führenden Lichtschachtöffnungen miteinander verbindet. Es lässt sich nur als eine Art Sicke in dem ansonsten einem halben, sehr flachen (geometrischen) Kegel ähnelnden Dachsektor über der Südapsis interpretieren, in deren Bereich die Neigung des Daches auf eine nicht näher definierte Weise unterbrochen wird. Diese Variante ist aber am Westarm zugunsten einzelner Dachgauben für jeden Lichtschacht aufgegeben – eine Form, die sich so auch in Bl. 76r sowie auf dem Salamanca-Stich findet. Bemerkenswert ist an der vorliegenden Skizze jedoch, dass die freihändig gezeichneten Lichtschachtmündungen am Übergang zum Kreuzarm laut Darstellung in den Dachbereich vor der Sicke einschneiden sollten. Einen Grund für die Änderung dieser Gestaltung in der Darstellung des Westarms könnte neben den entwässerungstechnischen Nachteilen der Sicke die als ästhetisch unbefriedigend zu empfindene Sichtbarkeit der ‘Außenseite’ der Sicke abgeben, da diese wohl als senkrechtes Band mit Unterbrechungen über den Lichtschächten nach außen in Erscheinung getreten wäre.

 

85.1.1.8 Westarm

Die gegenüber dem Südarm veränderte Dachlandschaft des Westarms ähnelt am ehesten der Realisierung, wie sie die Hauptzeichnung von Bl. 76r6 und auch der Salamanca-Stich zeigen: Ein Kranz von drei Dreiergruppen jeweils freistehender Gauben umläuft das Apsidendach an der Außenseite. Das in der vorliegenden Darstellung noch zu erkennende Einschneiden der Lichtschachtöffnungen in das Dach, wobei diese teilweise von den Gauben unbedeckt bleiben, ist im Salamanca-Stich jedoch korrigiert: Somit wäre ein Schutz der Öffnungen gegen eindringendes Regenwasser, der sich durch eine Verglasung noch vervollkommnen ließe, gegeben.

85.1.1.9 Südwestoktogon

Die sehr sorgfältige Darstellung des Südwestoktogons mit Feder und Lineal scheint – bis auf die fehlenden Giebel der Risalite – der endgültigen Fassung des Modells am nächsten zu kommen. Sie zeigt eigenartigerweise auch vor der der Kuppel zugewandten Oktogonseite zwei Kegelpaare, zwischen denen jedoch die Prismenkegel fehlen. Dass es sich dabei lediglich um einen Flüchtigkeitsfehler des Zeichners handelt, ist aufgrund der sorgfältigen Ausführung und der Tatsache, dass der umliegende Dachbereich von diesem Grundriss betroffen ist, auszuschließen. Zudem ist dieser Bereich auch um das Südost-Oktogon annähernd quadratisch wiedergegeben. Demzufolge dürfte dieser Bereich der Oktogonumgebung erst in einer weiteren Planungsphase ‘bereinigt’ worden sein, als vermutlich auch im gleichen Zuge die umgebenden Dachstruktur vereinfacht wurde.

Bemerkenswert und erklärungsbedürftig ist, dass bei Letarouilly im Schnitt auf PL. 197 solche Gruppen dargestellt sind, obwohl sie im Salamanca-Stich fehlen und sich auch am Modell keine Spuren solcher Gruppen erkennen lassen. Allerdings dürfte dieses Detail in Letarouillys Stich als eine freie Ergänzung bzw. Rekonstruktion des Autors eine Erklärung finden und muss daher nicht unbedingt auf eine Kenntnis des vorliegenden Blattes schließen lassen.

85.1.2 Schnittskizze des Dachentwässerungssystems

POSITION: am rechten Blattrand, 90° rechts
TECHNIK: freihändige Feder in Braun; teilweise Graphitvorzeichnungen
HAND: AD
MASSANGABEN / GRUNDMASS: „p 55“ / palmo romano bzw. palmo del modello
MASSSTAB: ungefährer Gesamtmaßstab der Zeichnung: 1 : 250

 

 







Beispielwerte
palmi
mm
Maßstab












Tiefe des Entwässerungskanals vom Dachfirst 55 = 47 1 : 261






Tiefe der oberen Kanalmündung vom Dachfirst (innen) 30 = 30 1 : 223






Tiefe der oberen Kanalmündung vom Dachfirst (außen) 47 = 35 1 : 300






lichte Weite des Entwässerungskanals 3 = 7 1 : 96






Anmerkung: Obwohl der ermittelte Maßstab von demjenigen der Hauptzeichnung dieses Blattes [85.1.1] deutlich abweicht, machen Lage und Anordnung klar, dass der Zeichner sich bemühte, Schnitt und Grundriss annähernd in Übereinstimmung zu bringen. Die Abweichung des Maßstabs lässt sich vor allem auf die Skizzenhaftigkeit zurück führen. Damit wird die Zusammengehörigkeit der Zeichnungen und demzufolge auch ihr Status als Planungen für den Bau selbst unterstrichen.

Kommentar: Die vorliegende Skizze stellt – wie schon andere, ähnlich unscheinbare – eine der interessantesten im Zusammenhang der gesamten Gruppe der St.-Peter-Zeichnungen dar, zeigt sie doch mit dem Entwässerungssystem ein Detail, das nicht nur in keiner bekannten Zeichnung zum St.-Peter-Projekt Sangallos erhalten ist, sondern auch ansonsten kaum eine Parallele unter den Architekturzeichnungen der Renaissance haben dürfte. Ihr Vorhandensein unterstreicht zum einen das auch an den Antikenaufnahmen zu beobachtende Interesse des Zeichners an bautechnischen Details, liefert zum anderen aber vor allem – wie schon oben festgestellt – ein starkes Argument für die These, dass die in den vorliegenden Zeichnungen des Anonymus Destailleur dokumentierten Planungen immer schon den zu realisierenden Bau mit im Blick hatten und nie ausschließlich nur das Modell betrafen.

Hinsichtlich der technischen Details der hier dargestellten Entwässerungsanlage erscheint besonders bemerkenswert, dass die 3 palmi breiten und tiefen Kanäle unter das eigentliche Dach versenkt und mit diesem über schmalere, spaltenartige Fallrinnen verbunden werden sollten: Es scheint also, als habe Sangallo – bzw. der für die Planung dieses Details Verantwortliche – sich bemüht, die Kanäle nach außen so wenig wie möglich in Erscheinung treten zu lassen. Dass die Abdichtung eines fast allseitig von Mauerwerk umgebenen Entwässerungskanals eine kompliziertere Aufgabe darstellt als z. B. eine einfach an der Dachoberfläche verlaufend Abflussrinne spricht für diese Annahme.

In diese Beobachtungen fügt sich auch die geringfügige Änderung im Querschnitt der Kanäle ein, die der Zeichner nachträglich ergänzt: Anstelle des ursprünglich rechteckig skizzierten, aufgrund der angegebenen Maße natürlich als quadratisch zu interpretierenden, Querschnittes ändert er die untere, gerade Seite um zu einer muldenförmigen, so dass sich ein u-förmiger Querschnitt ergibt. Dieser hat gegenüber der ersten Version den Vorteil eines schnelleren Wasserabflusses und einer geringeren Feuchtigkeitsbelastung der Seitenwände des Kanals. Die Änderung ist also Ergebnis einer – vielleicht nicht vom Zeichner selbst angestellten – Überlegung oder eines Einwandes von jemandem, der mit entsprechenden Situationen Erfahrungen hatte.

Darüber hinaus ist die Zeichnung auch hinsichtlich der Höhengestaltung innerhalb Dachlandschaft selbst von Interesse, denn wie die unterschiedlichen Höhenangaben für die senkrechte Entfernung der Mündungsränder vom Niveau des Dachfirstes verdeutlichen, sollte der Höhenunterschied zwischen den beiden hier aufeinander treffenden Dachschrägen 17 palmi betragen, was von außen als deutlich sichtbarer ‘Bruch’ wahrzunehmen gewesen wäre. Dieser wurde in einem späteren Planungsschritt – offenbar gemeinsam mit der ‘Einebnung’ des Daches über den Eckrisaliten, die die Eliminierung ihrer Sockel zur Voraussetzung hat – beseitigt.

Weiterhin werden die Durchmesser der Rinnen (3 × 3 p) und die Enfernung des höchsten Dachpunktes der Eckrisalite (also am Übergang Dach-Oktogon) von der genannten Horizontalen angegeben („p 20“), die auf dem Dachfirst des Kreuzarms aufliegt. Nimmt man an, dass diese Skizze und die Maßangaben korrekt sind, so wird deutlich, dass entweder die Gauben über den Eingangsbereichen der Nebenarme in den Salamanca-Stichen zu sehen sein müssten, da der Fußpunkt des Dachverlaufs über den Kreuzarmen mit der Höhe des Kranzgesimsabschlusses identisch sein sollte; daneben steigt das Dach aber wieder an, so dass darauf aufsitzende Gauben auf jeden Fall sichtbar wären. Oder aber die Dachflächen dürften nicht so flach wie im Salamanca-Stichen erscheinen.

Es wäre jedoch auch eine andere Interpretation der Skizze hinsichtlich des Dachverlaufs denkbar: Demnach würde die Oberkante des Kranzgesimses oberhalb des gesamten Dachbereichs der Eckrisalite liegen, so dass sich das Dach hinter dem Gesims zu den Entwässerungskanälen absenken würde. Deren Abflussschächte müssten dann im Gebäude verlaufen, was durch ihre Darstellung im Dachgrundriss nahe gelegt wird: Dort reichen die Kanäle nicht bis zur Außenlinie des Baukörpers, z. B. am Schnittpunkt von Hauptbau und Umgang, sondern enden in kleinen Kreisen – den oberen Öffnungen von ‘Fallrohren’ ? – in der Nähe der Schnittpunkte. Die Aufsockelung der Oktogone erklärte sich dann auch als Mittel, diese auf das Niveau des Kranzgesimses zu heben. Entsprechung müssten die erwähnten Gauben in diesem Bereich des Daches nach außen hin auch nicht in Erscheinung treten. Diese ungewöhnliche Dachform birgt also einige Vorteile in der Entwässerung, Realisierung und Beleuchtung der Eckbauten und erscheint daher trotz ihrer sicherlich aufwendigeren Gestalt als durchaus möglche Alternative zur oben unterstellten üblichen Form des Daches, bei der alle Bereich oberhalb des Kranzgesimses zu liegen hätten.

 
Zu einigen Details: Am rechten bzw. unteren Ende der Skizze ist ein quaderförmiger, durch zwei Linien geteilter Baukörper angedeutet, bei dem es sich nur um einen vermittelnden Unterbau bzw. Sockel der Eckoktogontürme handeln kann: Diese sind also in der vorliegenden Projektierungsphase gegenüber der umliegenden Dachlandschaft noch deutlich erhöht, was sich oben auch schon aus dem Fehlen der die Oktogonsockel eigentlich überschneidenden Risalitgiebel ableiten ließ. Daraus folgt zugleich, dass die in Übereinstimmung mit den Sockeln der Nebenkegel der Prismengruppen dargestellten Wandvorsprünge nicht mit denjenigen des Mezzanins zwischen dorischem und ionischem Geschoss identisch sein können, sondern eine Wiederholung dieses Motivs in dem hier dargestellten Sockelgeschoss oberhalb des ionischen Geschosses darstellen, auf welchem die Oktogon-Türme aufsitzen und das in der späteren Planung offensichtlich entfallen ist, so dass die Ecktürme durch ihre eigene, deutlich verringerte Höhe – wie dies noch heute am Modell zu sehen ist – indirekt die Kuppel betonen.

 

Gerade diese unscheinbare Skizze erweist sich also in mehrfacher Hinsicht als besonders interessant: Sie zeigt nicht nur ein seltenes bautechnisches Detail, sondern ebenso, dass über dessen bestmögliche technische Realisierung ebenso nachgedacht wurde, wie über die ästhetischen Konsequenzen: Beides Probleme, die nur auftreten, wenn die Planungen dem Bau selbst und nicht nur dem Modell gegolten haben sollten. Ebenso erweist die Skizze die Anwesenheit des Zeichners während der Planungen und sogar seine aktive Beteiligung daran.

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