recto: St. Peter: Umgangsinnenwände

83.1   Aufriss der äußeren Umgangsinnenwand

 



[83.1.1.1]


[83.1.1.2]


[83.1.1.3] [83.1.1.4]


Vorbemerkung: Das Blatt stellt einen interessanten Versuch dar, Längsschnitt und Abrollung der Außenwand mit orthogonalperspektivischen Mitteln darzustellen, wobei dem Zeichner aber wie auch in anderen, ähnlichen Fällen keine exakte orthogonalperspektivische Darstellung gelingt – was sicherlich wiederum in seinem überwiegenden Interesse an der Notation aller Maße seine Ursache hat. Dabei erweisen sich aber die vielen Abweichungen in den Details gegenüber vergleichbaren Zeichnungen (Grundriss auf Bl. 78r, Querschnitt auf Bl. 81r) als problematisch und schwierig zu interpretieren.

 

83.1.1 Aufriss der Innenwand des Umgangs

POSITIONgesamtes Blatt
NUMERIERUNG / POSITION: „32“ / links neben der Gebälkzone des Untergeschosses, 180°
TECHNIKnur in wenigen Fällen freihändige Feder mit hellbrauner Tinte; Lineal und Zirkel; teilweise Vorzeichnungen mit Bleistift; keine Vorritzungen; Schraffuren zur Andeutung von Wölbungen und Krümmungen
HAND: AD
MASSANGABEN / GRUNDMASS: „p 9 1/12“ / „palmo del modello
MASSSTABungefährer Gesamtmaßstab (Näherungswert): 1 : 100
 

 








Beispielmaß
palmi
mm
Maßstab














Gesamhöhe der unteren Ordnung 61 1/2 = 150,0 1 : 92







Höhe bis Oberkante Kämfpergesims 36 1/2 = 96,0 1 : 84







lichte Weite einer Rundnische 22 1/2 = 44,5 1 : 113







Gewölbehöhe 49 [—] = 109,0 1 : 100







lichte Weite der Fensteröffnungen im Gewölbe 22 1/3 = 45,0 1 : 111







Höhe bis Kämpfergesims im oberen Umgang 36 3/4 = 87,0 1 : 94







lichte Weite der Nischen im oberen Umgang 25 [—] = 56,0 1 : 100







Deckenstärke zwischen Unter- und Obergeschoss 8 5/6 = 21,0 1 : 94







Kommentar: Die Darstellung zeigt in orthogonalem Aufriss einen vertikalen Schnitt durch einen der Umgänge entlang seiner Mittelachse über beide Geschosse und die Abrollung der dadurch sichtbaren Innenseite der Außenwand in die Blattebene. Die Wand ist vom Eingangsbereich (Schnitt durch den Konterpfeiler) links bis zum Scheitelpunkt des Umgangs (Verlängerung der Mittelachse des Hauptkreuzarms) rechts dargestellt, was aus Symmetriegründen zur vollständigen Erfassung ausreicht und zum wiederholten Male die Ökonomie des Zeichners bzw. seiner möglichen Vorlagen demonstriert.
Datierung: Als relative Datierung ergibt sich aus der anschließenden Analyse der Details (s. u.), dass das Blatt zu den spätesten der gesamten Gruppe innerhalb des Codex Destailleur D gehören muss, wofür auch seine weitgehende Übereinstimmung mit dem Modell spricht. Für eine absolute Datierung wird man unterstellen dürfen, dass die Planungen zu diesem Bereich spätestens zum Zeitpunkt der Einwölbung des Südarms – also im Sommer 1546 – abgeschlossen gewesen sein müssen, auch wenn der Umgang nach Abschluss der Einwölbung noch nicht bis zu dieser Höhe errichtet worden war und von Michelangelo wieder abgerissen wurde. Die Abweichung des Eingangsbereichs im Obergeschoss gegenüber der Ausführung am Modell spricht ebenfalls für eine Datierung vor dessen endgültiger Fertigstellung im Jahre 1546.

 

83.1.1.1 Obergeschoss

Eingang: Der hier im Schnitt wiedergegebene Eingangsbereich zum Umgang entspricht nicht genau dem Grundriss in Bl. 78r.1 Seine grobe Skizzierung lässt zudem nicht allzu viele Details erkennen. Für die Länge des gegenüber dem Umgang selbst deutlich niedrigeren, gewölbten Durchgangs zum nächstgelegenen Oktogon ist ein Wert von „p 29 1/2“ angegeben.

Links oben ist in einer flüchtigen Bleistiftskizze eine Fortsetzung des Schnittes durch die Verbindung zwischen Umgangsobergeschoss und Oktogonräumen wiedergegeben, in der – allerdings unmaßstäblich nahe am Umgang selbst – deutlich der Ansatz zur Kuppel des Oktogons zu erkennen ist. Über dem eigentlichen Durchgang erscheint in dieser Skizze eine zweite Verbindung, die als Beleuchtungsöffnung zu interpretieren sein dürfte. Dass der Zeichner in der Ausarbeitung dieses Bereichs mit Feder die Wand als geschlossen darstellt, muss nicht bedeuten, dass diese Lösung verworfen, sondern kann ebenso ein Hinweis darauf sein, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt in Erwägung gezogen, jedoch nicht weiter ausgearbeitet wurde. Da aber gerade diese Öffnung – oder zumindest eine ihr entsprechende Nische – am Bau selbst nach Ausweis der Dosio-Zeichnung des Atriums von Alt-St.-Peter realisiert worden zu sein scheint, wäre es denkbar, dass der Zeichner von einer nachträglichen Änderung dieses Blattes absah und die neue Situation auf einem anderen darstellen wollte: Dafür spräche der Umstand, dass Bl. 86v2 genau diese Situation – wenn auch nur im Aufriss – zeigt. Die dort festzustellende Unsicherheit in der Bestimmung der Maße ist eine weiteres starkes Indiz dafür, dass die Bleistiftskizze der vorliegenden Zeichnung als skizzierte Idee eine nachträgliche Ergänzung und keine obsolet gewordene frühere Planungsvariante darstellt. Für die anscheinend vollkommen ungerahmte Mündung dieses Ganges in den Umgang fehlt eine Angabe der lichten Höhe.

Durch spitzwinklig gegeneinander versetzte Schraffuren deutet der Zeichner an, dass der erste Teil des Umgangs als Nische mit halbrundem Abschluss zu verstehen ist, während ihr nahezu halbkreisförmiger Grundriss mit flacher Rückwand sich aus Bl. 78r sowie aus der Annahme ergibt, dass eine dem Schnitt entsprechende Wölbungsform zu einer solchen Nische gehören dürfte; der Grundriss von Bl. 78r allein ist als Quelle in diesem Fall aufgrund der vielen Abweichungen im Detail nicht verlässlich. Die Nische weist weiterhin an ihrer Öffnungsseite im Decken- bzw. Scheitelbereich eine Einziehung gegenüber der Scheitellinie des Umgangs auf, die im Widerspruch steht zu der im Grundriss als vor der Nische liegend gezeigten Einschnürung des Ganges, denn es ergäbe sich hier sonst eine Überschneidung zweier Wölbungsformen mit unterschiedlich hohem Scheitel und unterschiedlicher Weite.

Damit bestätigt sich das schon zu Bl. 81 Gesagte: Die übereinander angeordneten Nischen an der Stirnwand des Umgangsobergeschosses scheinen einer früheren Planungsphase zu entstammen, die dann zugunsten der auf dem Verso desselben Blattes erwogenen Lösung verworfen wurde. Dass auch diese Lösung nicht mit der am Modell realisierten übereinstimmt, wurde dort (vgl. S. §) schon festgestellt.

Die erste Achse links zeigt eine einfach geschlossene, aber von einem Bogen überfangene Wandfläche, deren Schraffur andeutet, dass es sich hier vermutlich um eine flach geschlossene Nische handelt, die die linke der drei Bogenöffnungen einer Gruppe schließt.

Im Grundriss3 erscheint diese Nische zwar tatsächlich in der Form einer flachen, allerdings leicht gekrümmt der Wand folgenden Vertiefung, weicht aber gegenüber dem vorliegenden Aufriss geringfügig ab: Während die Nische im Aufriss deutlich von zwei Pilastern der Kämpferordnung gerahmt wird, wobei der linke (der zur Stirnwand des Umgangs hin gelegen ist) eine Schaftbreite von „p 9“ aufweist und durch einen schmalen Streifen von „p 1 1/6“ Breite vom nachfolgenden breiten Gurtbogen getrennt ist, fehlt dieser Pilaster im Grundriss völlig. Und auch der Gurtbogen selbst, für den Bl. 83r eine Breite von „p 16 1/3“ angibt, lässt sich kaum mit dem ihm in Bl. 78r gegenüber (innen) liegenden Schaft von nur „p 9 1/6“ in Übereinstimmung bringen. – Ein Vergleich mit dem Modell, an dem die gesamte Zone eine andere Gestalt aufweist, kann hier leider keine Klärung bringen.4

Neben einer Planänderung könnte eine mögliche Erklärung in der Annahme einer geringfügigen Asymmetrie der Kreuzarme liegen: Denn in Bl. 83r ist die Wand des Durchgangs durch den Konterpfeiler im Erdgeschoss einfach durch eine Flachnische gegliedert, deren Gesamtlänge sich von der Nischenabfolge am Südarm unterscheidet und somit auf eine veränderte Planung für Nord- und Westarm hinauslaufen könnte. Allerdings hätte dies zur Folge, dass der Zeichner hier Planungen für einen Bereich festhält, dessen Ausführung noch nicht abzusehen war, während gleichzeitig Zeichnungen für den auszuführende Südarm über die Skizzen in Bl. 92r nicht hinausgelangt zu sein scheinen, obwohl die Bautätigkeit genau diesen Bereich schon erfasst hatte: Möglicherweise hatte der Anonymus Destailleur aber zu diesem Zeitpunkt schon keinen Zugang mehr zu Planungsunterlagen und Baugeschehen bzw. – diese Möglichkeit bleibt natürlich bestehen – am St.-Peter-Projekt Sangallos selbst kein forciertes Interesse mehr.
Wandzone und Ordnung: Auf einer nicht weiter differenzierten Wand markiert ein einfaches, durchlaufendes Kämpfergesims die Bogenansätze über den Öffnungen. Aufgrund einer unmaßstäblichen Darstellung ist ein Unterschied im Fußbodenniveau fast zu übersehen, der allerdings mit „p 4 1/2“ sogar mehr als 1 m beträgt, ohne dass eine Treppe als Überbrückung vorgesehen wäre! Auch hier ergibt sich zum Grundriss auf Bl. 78r wieder eine Diskrepanz, denn dort fehlt jeglicher Hinweis auf diese Stufe, die hinsichtlich des unterschiedlichen Niveaus der Oktogone und des Umgangsobergeschosses zu erwarten sein sollte – vermutlich hat der Zeichner in Bl. 78r also vergessen dies einzutragen.

Die folgenden beiden Achsen zeigen die ersten beiden Fensteröffnungen, die sich in einer gegenüber der Ordnung der Umgangswand nochmals zurückgestuften Wandfläche befinden. Zum Umgang hin weisen sie außerdem eine auffallend hohe Schwelle auf, für die jedoch kein Höhenmaß angegeben ist. Nach Ausweis der vorliegenden Darstellung sollte dieser Wert jedoch mindestens das Doppelte der oben erwähnten Schwelle zum Fußbodenniveau des Umgangsendes betragen. Das Maß für die (innere?) lichte Weite dieser Öffnungen scheint mit den angegebenen „p 20 3/4“ etwas zu gering, um mit dem im Grundriss Bl. 78r angegebenen „p 23“ für die äußere lichte Weite tatsächlich korrespondieren zu können. In den entsprechenden, rechts nach einem Wandstück sich anschließenden Nischen ist die Höhe der Bogenöffnungen aus den angegebenen Maßen erschließbar. Weitere Details erscheinen aber nicht. Die Breite der die Fenstergruppen trennenden Wandvorlage ist im Aufriss mit „p 27 1/4“, im Grundriss von Bl. 78r dagegen mit „p 27 1/6“ angegeben.
Datierung: Aus den festgestellten Abweichungen zwischen den Blättern 83r und 78r lässt sich für eine relative Datierung folgende Vermutung ableiten: Der hier wiedergegebene Planungsstand ist gegenüber Bl. 78r der vermutlich spätere, da dieses sich auch gegenüber anderen Blättern als älter erwiesen hatte und die Veränderungen auf eine Vereinfachung der Struktur hinauszulaufen scheinen – diese Tendenz zur Vereinfachung wird am Modell selbst ebenfalls sichtbar, ist dort aber zumindest zum Teil auch lediglich auf das Bestreben zurück zu führen, den Arbeitsaufwand in der Modellherstellung zu begrenzen, d. h. diese Vereinfachungen mussten nicht unbedingt entsprechende Konsequenzen für den Bau selbst haben.

 

 




Maßangaben zum Aufriss des Obergeschosses
palmi






Niveaudifferenz zum Eingang 4 1/2



Höhe der Pilasterschäfte 32 3/4



Breite der Pilasterschäfte zwischen zwei Fensteröffnungen 7 2/3



  am Ende des Umgangs 9 [—]



Höhe des Kämpfergesimses 4 1/12



Gesamthöhe der Kämpferordnung 36 3/4



Breite eines Wandpfeilers zwischen Fenstergruppen 27 1/4



lichte Weite einer Fensteröffnung 20 2/3



lichte Weite der die Fenster umgebenden Wandvertiefung 25 [—]



Breite der die Fenster umgebenden Wandfläche 2 1/6



  an der mittleren Fenstergruppe 2 2/3



lichte Höhe einer Fensteröffnung
k.A.!



Höhe des Fensteröffnungsscheitels über dem Kämpfergesims 12 1/3



Scheitelhöhe des Gewölbes 57 [—]



Einzug des Gewölbes am Gurtbogen zw. den Fenstergruppen 3 [—]



83.1.1.2 Erdgeschoss: Attika- und Wölbungszone

Die Stirnwand des Umgangs am Konterpfeiler entspricht im Wölbungsbereich nicht genau der Ausführung am Modell: In die Wandfläche ist hier eine zweifach gestufte, sehr flache Nische eingetieft, durch die das Kämpfergesims der Bogenöffnungen hindurchläuft, während sich das Modell in diesem Bereich auf ein einfache Eintiefung beschränkt – auch hierbei scheint es sich also um eine Vereinfachung im Zuge des Modellbaus zu handeln.

In dem im Aufriss wiedergegebenen Gurtbogenbereich schließt sich dann eine rechteckige flache Vertiefung an, die in ihrer Breite mit „p 7 2/3“ nur geringfügig vom lichten Abstand des darunter in der Wandzone befindlichen korinthischen Pilasterpaares („p 7 1/2“) abweicht.

Die schräg in die Umgangswölbung eingeschnittenen Lichtschächte werden mit einem Einblick in ihre Tiefe wiedergegeben, wobei auch der untere Teil der gegenüberliegenden Öffnung auf der Fassadenseite zu sehen ist. Schraffuren und Kanten deuten auch hier die Form der Schächte an. Tiefenmaße sind ebenfalls angegeben. Dabei unterläuft dem Zeichner in der ersten (linken) Achse offensichtlich ein Fehler: Er gibt auch hier einen Lichtschacht an, der aber so am Bau nicht vorhanden oder geplant gewesen sein konnte, da er nicht ins Freie münden, sondern auf die Übergangsstelle zwischen Umgang und Hauptbaukörper treffen würde. Im Modell dementsprechend ist an dieser Stelle auch nur eine große flache Nische in die Attika- und Gewölbezone mit dem unterhalb der Wölbung des Umgangs durchlaufendem Kämpfergesims eingefügt.

Vor der Fertigstellung der Zeichnung hatte der Zeichner den Attika- und Wölbungsbereich schon einmal um ungefähr 2 cm höher versetzt über die ganze Breite des Blattes wiedergegeben bzw. die Bögen der Öffnungen mit dem Zirkel vorgeritzt, dies dann aber wieder ausradiert. Da entsprechende Änderungen auf dem Blatt sonst fehlen, darf wohl ein Irrtum des Zeichners als Grund angenommen werden. Dieser könnte darauf zurückzuführen sein, dass ihm vermutlich hier – wie sonst zumeist auch – keine Vorlage zur Verfügung stand, aus der er die Proportionierungen und die Blattdisposition hätte entnehmen können, sondern dass er sich diese erst selbst aufgrund unterschiedlichen Ausgangsmaterials erarbeiten bzw. zusammen stellen musste.

 

 




Maßangaben zur Gewölbezone des Umgangserdgeschosses
palmi






Gewölbe



Scheitelhöhe des Gewölbes über dem Kranzgesims 49 [—]



Breite der Kämpferlisenen 5 [—]



Höhe der Kämpferlisenen 22 2/3



Höhe des Kämpfergesimses 2 3/4



Höhe der Kämpferordnung 25 1/3



Einzug des Gewölbes an den Gurtbögen 2 5/6



Deckenstärke des Gewölbes 8 5/6






Eingangsbereich



Einzug des Gewölbes 2 5/6



Stirnwand: Einzug des Nischenrahmens 1 1/4



Stirnwand: Einzug der Flachnische 3 [—]



Stirnwand: Höhe der Flachnische über dem Kranzgesims 3 1/6



Seitenwand: Gesamtbreite 17 2/3



Seitenwand: Breite der Flachnische 7 2/3



Seitenwand: Breite der Wandbereiche seitlich der Flachnische 5 [—]






Fensteröffnungen



lichte Weite innen 22 1/3



lichte Weite außen 9 1/2



innere Breite der Fensterrahmen außen: Seitengewände 1 2/3



innere Breite der Fensterrahmen außen: Fensterbank 4 1/4



lichte Weite der Lichtschächte an der Außenseite 12 2/3



lichte Höhe der Fensteröffnungen außen [Fehler?] 12 1/3



Höhe der Fenster über dem Kranzgesims 3 1/6



Tiefe der Lichtschächte = Länge der unteren Wandschräge 20 1/4






Gurtbogen zwischen den Fenstergruppen



lichte Weite der Flachnische 17 [—]



Breite der seitlichen Wandstreifen 5 [—]



Gesamtbreite (rechnerisch) 27 [—]



lichte Höhe der Flachnische 13 2/3



vertikaler Abstand zum Kranzgesims 5 1/4



vertikaler Abstand zum Kämpfergesims 3 2/3



 

83.1.1.3 Erdgeschoss: Eingang

Die Darstellung des Eingangsbereichs zum Umgangserdgeschoss beginnt mit dem durch die spätere Beschneidung des Blattes zwar beschädigten, aber vom Zeichner auch nur flüchtig skizzierten Profil der Eingangsädikula und des über ihre verlaufenden Gesimses, die sich beide – anders als im Modell – berühren. Daran anschließend ist die Seitenwand des Durchgangs durch den Konterpfeiler wiedergegeben, die durch eine flache, halbrund geschlossene Nische in einem rechteckigen Rahmenfeld gegliedert wird. In den so entstehenden Zwickeln sind weitere, dreiseitige Vertiefungen oder Inkrustationen skizzenhaft angedeutet. Der Bogen liegt auf toskanischen Kämpferkapitellen auf.

In der Zeichnung ist durch eine perspektivisch angelegte Skizze und Schraffuren angedeutet, dass die Nische einen rechteckigen Grundriss hat, wobei die Tiefe der Nische hier aber sicherlich aufgrund der Skizzenhaftigkeit etwas zu groß geraten ist. Am Modell ist sie nur wenig tiefer als das umgebende Wandfeld, d. h. sie bietet sicherlich nicht genügend Raum zur Aufstellung von Statuen, und für die Hängung eines Gemäldes dürfte dieser vermutlich sehr dunkle Bereich ebenfalls kaum geeignet erscheinen: Damit reduziert sich die Funktion dieser Wandnische auf die bloße Gliederung der ansonsten leeren Wandfläche. Die Maßangaben für diese Nische stimmen nicht mit denen der Zeichnung auf Bl. 92r überein, die ebenfalls laut Beischrift die „intrate del coritor“ wiedergibt und sich zweifellos auf die gleiche Situation bezieht: So ist die lichte Weite der Nische dort mit „p 9 2/3“ angegeben, beträgt hier aber „p 10 3/4“. Außerdem beträgt die Gesamthöhe des die Nische rahmenden rechteckigen Wandfeldes in Bl. 92r „p 22 2/3“, fällt hier dagegen mit „p 31 1/4“ erheblich höher aus.

Es ist als ein Zeichen für Sangallos Bestreben zur Vereinheitlichung der Ordnungen des gesamten Baus zu interpretieren, dass er den deutlich veränderten Raum des Durchgangs nicht nutzt, um sich von der Sockel- und Basiszone der großen Innenordnung zu lösen, der ja auch die einleitende Toskana angehört. Statt dessen führt er diese konsequent in den Umgang hinein weiter und verbindet sie mit der dortigen, ebenfalls konsequent aus der Ädikulenordnung abgeleiteten korinthischen Pilasterordnung.

 

 




Maßangaben zur Seitenwand des Eingangsbereichs
palmi






Kämpferordnung (5-palmi-Ordnung)



Gesamtlänge des Eingangsbereiches 32 1/2



Scheitelhöhe des Gewölbes 49 1/2



Höhe des Kämpfergesimses über Fußbodenniveau 36 1/2






Wandnische



Gesamthöhe des eingezogenen Wandfeldes 31 1/4



Abstand des Wandfeldes zu den Kämpferpilastern 4 1/2



Breite der Pilaster innerhalb der Nische 1 2/3



Höhe der Pilaster innerhalb der Nische 24 [—]



Höhe des Kämpfergesimses in der Nische 1 2/3



lichte Weite der Nische 10 3/4



Distanz Nischenscheitel – oberer Rand des Wandfeldes 2 1/6



 

83.1.1.4 Umgangserdgeschoss: Wandzone

Umgangsseitig wird die Eingangswand von zwei korinthischen Pilastern der 5-palmi-Innenordnung gerahmt, hinter denen das Kämpfergesims des Eingangs weitergeführt wird, um im weiteren Verlauf auch den eingestellten Nischen der Wandzone in derselben Funktion zu dienen.

Das Pilasterpaar trägt einen Gurtbogen, an den sich nach nochmaliger Weitung die Fortsetzung dieser Ordnung anschließt. Dabei stellt die Nebeneinanderstellung von zwei gegeneinander versetzten, vollen 5-palmi-Pilastern an der Übergangsstelle eine sicherlich nicht zufällige Wiederaufnahme der Lösung Bramantes für die 12-palmi-Ordnung im Chorbereich am Übergang vom Kreuzarm zur Apsis dar: Tatsächlich entspricht dieses kleinere Pilasterpaar auch radial der Situation in der großen Innenordnung, indem es sich ebenfalls am Übergang zwischen dem geraden und dem gekrümmten Teil des Umgangs befindet: ein weiteres bemerkenswertes Beispiel für Sangallos architektonische Konsequenz in der Durchgestaltung des Gesamtprojekts.

Der Vergleich der Werte für die Korinthia führt auf das – im Hinblick auf den vermeintlich strengen ‘Vitruvianer’ und ‘Klassizisten’ Sangallo sehr erstaunliche – Ergebnis, dass die Korinthia keineswegs den Vorgaben für eine Proportionierung von 1 : 10 bis 1 : 12 für den Schaft entspricht, sondern nur ein Verhältnis von 1 : 9 aufweist und damit als deutlich gedrungen erscheint! Problematisch erscheint dies vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache, dass nach Ausweis der vorliegenden Zeichnung diese korinthische Nebenordnung derjenigen der Ädikulen exakt entspricht, wobei diese selbst jedoch kanonisch korrekter gegliedert sind: Eine Maßangabe für die Schaftlänge der prinzipiell baugleichen Ädikulen in der Kreuzarmapsis findet sich auf Bl. 81r. Sie beträgt dort „p 49 1/2“ und weist mit einem Verhältnis von 1 : 10,6 zu dem außerdem dort niedrigeren Kapitell, dessen Höhe nur „p 4 2/3“ beträgt, eine deutlich kanonischere Proportionierung auf.5

Im Anschluss an den Eingangsbereich folgt die erste Dreiergruppe aus Halbrund-, Rechteck- und wiederum Halbrundnische, deren Gestalt durch Schraffur und leicht perspektivisch angedeutete Wiedergaben der Grundfläche jeweils vom Zeichner verdeutlicht wird.

Die Gesamthöhe der Nischen liegt – wie es auch die Zeichnung andeutet – nur wenig unter der der Pilaster einschließlich Kapitell: 46 1/2 p + 5 p = 51 1/2 p, eine Berührung der Archivolte mit dem korinthischen Gebälk findet jedoch nicht statt.

Jede Gruppe von jeweils drei Nischen ist durch einen ebenfalls eingezogenen, von Doppelpilastern getragenen Gurtbogen von der nächsten getrennt. Hier wiederholt sich – konsequenterweise – jene Zweiergruppierung der Pilaster, die sich schon im Eingangsbereich aus der Versetzung der Wandebenen ergab. Allerdings fehlen hier die Angaben zu den Schaftbreiten, so dass nur vermutet werden kann, es handele sich wiederum jeweils um 5 palmi. Zwischen den hier weit auseinander liegenden Pilastern befinden sich senkrecht übereinander zwei kleine, unterschiedlich hohe, halbrunde Nischen: Die untere liegt mit „p 13 1/3“ sehr hoch über dem Bodenniveau in der Wandzone unterhalb des Kämpfergesimses; die obere sitzt dagegen direkt auf diesem auf. Ihre Breite ist mit jeweils „p 6 7/12“ angegeben. Im Gegensatz zur Darstellung in der vorliegenden Zeichnung unterscheiden sich die beiden Nischen in ihren lichten Höhen nur geringfügig: Den „p 14“ der unteren Nische stehen „p 13 2/3“ der oberen gegenüber – auch dies ist als deutlicher Hinweis darauf zu werten, dass dem Zeichner keine proportions- bzw. maßstabsgerechten Vorlagen zur Verfügung standen und es ihm selbst nur um die Erfassung aller wesentlichen Maße, nicht aber um die proportionsgerechte Darstellung selbst ging.

Im Gegensatz zu seiner sonst überaus ökonomischen Arbeitsweise hat der Zeichner hier die Kapitelle der korinthischen Ordnung jeweils einzeln recht aufwendig gezeichnet, aber keine Maße oder anderen Details angegeben. Diese finden sich jedoch in der Detailaufnahme der Korinthia auf dem Verso des Blattes.

 

 

Korinthia
Umgangswand
Nischenpaar im Wandpfeiler zwischen den Dreiergruppen




Maßangaben zur Umgangswand
palmi
Anmerkung












Pilasterschaftbreite 5 [—] 1 Modul




Höhe der Pilaster (inkl. Sockel, Plinthe und Basis) 46 1/2




Höhe von Sockel, Plinthe und Basis allein 7 1/6 < 1,5 Module




[Höhe des Pilasterschaftes allein: 39 1/3 < 8 Module!




Höhe des durchlaufenden Sockels 4 [—]




Höhe von Plinthe und Basis zusammen 3 1/6




Höhe des Kapitells 5 [—] 1 Modul




Höhe des Gebälks (Gesamtangabe) 10 1/4 > 2 Module!




Höhe des Gebälks (Addition der Einzelwerte) 10 1/2 > 2 Module!












lichte Weite der großen Nischen 22 1/2




Höhe bis einschließlich Kämpfergesims 36 1/2




Höhe des Bogens über dem Kämpfergesims 12 1/4




[resultierende gesamte lichte Höhe der Nischen] [48 3/4]




Breite des Bogenbandes (Vorderansicht) 2 7/12




[resultierende Gesamthöhe der Nischen 51 1/3]












lichte Weite der Nischen 6 7/12




lichte Höhe der obere Nische 13 2/3




lichte Höhe der unteren Nische 14 [—]




Höhe der unteren Nische über der Sockelzone 12 1/3




Höhe der Sockelzone 4 [—]




seitl. Abstand zu den korinthischen Pilastern 5 1/6




Gesamtbreite des Wandfeldes = Interkolumnium 17 [—]




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