verso: St. Peter: Ordnungen / Palazzo Farnese: Gesims

91.2   Innenordnung; Ädikulen / Palazzo Farnese: Gesims

Vorbemerkung: Das Verso des vorliegenden Blattes vereint die nur in Bleistift skizzierte ‘Gebälkansicht’ des von Michelangelo entworfenen Kranzgesimses für den Palazzo Farnese in der linken Blatthälfte mit den ovvensichtlich unabhängig davon entstandenen Darstellungen zum Gebälk und der Basis der 12-palmi-Ordnung sowie den Details der Ädikulen aus dem Innenraum von St. Peter in der rechten Blatthälfte. Diese Trennung deutet auf eine unterschiedliche Entstehungzeit der beiden Blatthälften. Die ausgewogenen Positionierung der Einzelzeichnungen in der rechten Blatthälfte sowie ihre sehr saubere Ausführung lassen zudem auf das Vorhandensein einer bzw. mehrerer Vorlagen schließen. Auf dem Verso zeigt sich zudem besonders deutlich, dass der Zeichner das Blatt schon vor dem Bezeichnen in der Mitte gefaltet haben muss, während es bei der späteren Einheftung etwa 1 cm rechts von dem ersten Falz nochmals gefaltet wurde.
NUMERIERUNG / POSITION: „7“ / in der rechten unteren Ecke des Blattes, 180°

 

91.2.1 Skizze zu Michelangelos Gesims für den Palazzo Farnese

POSITION: linke obere Blattecke
TECHNIK: freihändige Skizze mit Bleistift ohne technische Hilfsmittel
HAND: AD [?]
MASSSTABDie Größe der Zeichnung stimmt nicht mit derjenigen von Bl. 98v [98.2.1] überein. Da die dortigen Maßangaben zudem offensichtlich in französischen Fuß erfolgen, wird hier von einer Ermittlung des Maßstabs auch aufgrund des skizzenhaften Charakters der Darstellung abgesehen.
Kommentar: Die freihändige Bleistiftskizze zeigt das von Michelangelo entworfene Kranzgesims für den Palazzo Farnese in der typischen ‘Gebälkperspektive’, also der Kombination aus annähernd orthogonalperspektivischem Profilschnitt und schräger Untersicht. Das Profil wurde links von der Hauptzeichnung in der oberen linken Ecke des Blattes schon einmal begonnen, dann aber offenbar abgebrochen, weil der Platz für die Tiefenausdehnung des Gebälks nach links nicht gereicht hätte. Da dies einem versierten Zeichner schon weitaus eher hätte auffallen müssen, könnte man annehmen, dass der Irrtum auf einer Unkenntnis des Zeichners bezüglich der vollständigen Gebälkgestalt beruht: Eine Erklärung dafür wäre, dass ihm die Gesamtform des Gebälks zum Zeitpunkt der Anfertigung der Skizze (noch) nicht vorlag, was letztlich implizieren würde, dass er die Skizze während des Entwurfsprozesses angefertigt hätte oder nach einer ebenfalls unvollständigen Vorlage. Andererseits deutet gerade die Tatsache, dass die erste Zeichnung früh abgebrochen wurde, darauf hin, dass der Zeichner – vielleicht bei flüchtiger Arbeit – seinen Irrtum frühzeitig bemerkte und daher noch einmal rechts davon neu ansetzte.

Auch in der Skizze selbst gibt es, trotz der sehr leichten und sicheren Strichführung, einige Unsicherheiten, die sich aber wohl als Versehen bzw. Folgen einer schnellen, flüchtigen Skizzierung interpretieren lassen. Auffällig ist, dass eine vergleichbare Unvollständigkeit auch schon in der zweiten Bleiststiftskizze des Gesimses auf Bl. 90v auftritt.5

Das Auftreten der drei untereinander verschiedenen Darstellungen des Gesimse,6 zu denen noch die Aufnahme der Architektur des Julius-Grabmals in San Pietro in Vincoli auf Bl. 104r/v hinzukommt, wirft die Frage nach der Beziehung des Zeichners zu Michelangelo auf.

Es wäre daher zu prüfen,7 ob die Zeichnung vielleicht nach einem modello, wie demjenigen aus Holz angefertigt worden sein könnte, welches auf der Palastfassade im Anschluss an den Wettbewerb Anfang 1547 montiert wurde.

91.2.2 St. Peter: Gebälk und Basis der „12-palmi-Ordnung“

Die Darstellungen sind – gemeinsam mit denjenigen des zugehörigen Kapitells und des Pilaster auf dem Recto – vor allem deshalb von Interesse, weil sich an ihnen verfolgen ließe, inwieweit Sangallo die – nach einhelliger Auffassung der Forschung – von Bramante stammenden Vorgaben für die Gestaltung dieser Hauptordnung von St. Peter, welche Michelangelo später auch für die Projektion auf den Außenbau verwenden sollte, akzeptierte oder modifizierte.

 

91.2.2.1 Gebälk der 12-palmi-Ordnung

POSITION: linke obere Ecke der rechen Blatthälfte
TECHNIK: in den Ornamenten freihändige dünne Feder in hellem Braun, wenige Graphitvorzeichnungen; Lineal;
HAND: AD
MASSANGABEN / GRUNDMASS: „p 2 5/12“ / „palmo del modello
MASSSTAB: ungefährer Gesamtmaßstab der Zeichnung: 1 : 30
 

 








Beispielwerte
palmi
mm Maßstab














Gesimshöhe 8 1/2 = 63 1 : 30







Frieshöhe 9 1/2 = 73 1 : 29







Architravhöhe 8 1/2 = 63 1 : 30







horiz. Abstand Fries-Gesimsvorderkante 8 2/3 = 65 1 : 30







Anmerkung: Es ist sicherlich nicht als Zufall anzusehen, dass diese Zeichnung in einem Gesamtmaßstab ausgeführt wurde, der dem des Modells weitgestgehen entspricht, wobei die Abweichungen auf den Zeichner selbst und weniger auf seine Vorlage zurückgehen könnten.

Kommentar: Die sehr sauber ausgeführte Darstellung zeigt in der üblichen Kombination aus orthogonalperspektivischem Aufriss und Profilschnitt das Gebälk der großen Innenordnung (der sog. „12-palmi-Ordnung) mit detaillierten Angaben zu einzelnen Ornamenten und allen Maßen im annähernden Maßstab des Modells. Dies muss jedoch nicht – wie in ähnlichen Fällen der Darstellung von Ordnungen – als Argument dafür verstanden werden, dass die Vorlage des Zeichners ausschließlich der Herstellung des Modells dienen sollte: Wie die z. B. auch in der vorliegenden Zeichnung zu findende Maßangabe von „p2 5/12“, die schon vom Zeichner selbst in diesem Maßstab nicht exakt wiedergegeben werden konnte, verdeutlicht, war die durch die Wahl des Zwölftel-palmo hier demonstrierte und also wohl intendierte Genauigkeit höher als diejenige, die Zeichner oder gar Modellbauer erreichen konnten: Sie muss also für die Anwendung am Bau bestimmt gewesen sein – obwohl dort den Steinmetzen eine Vorlage im Maßstab 1 : 1-Kopie und sicher auch entsprechende Modellschablonen vorgelgen haben dürften.
Gesims: Das Gesims unterscheidet sich hinsichtlich der Darstellungsmittel von der restlichen Zeichnung durch den Einsatz von Schraffuren zur Verdeutlichung der Plastizität seiner einzelnen Elemente. Gerade die Schraffuren könnten auf die Vorlage zurückzuführen sein, in der sie ihren Sinn vielleicht in einer beabsichtigten Veröffentlichung (im Stich?) gehabt haben könnten: Zu einer nachvollziehbaren Wiedergabe der exakten Maße für die Ausführenden am Bau oder die Modellbauer ist die Darstellung der plastischen Werte jedenfalls nicht notwendig.

Darin sowie in der sauberen, Exaktheit suggerierenden Darstellung mit Lineal unterscheidet es sich deutlich und in auffälliger Weise von der freihändigen, eher skizzenhaften Wiedergabe des Kapitells dieser Ordnung auf derselben Blatthäflte des Recto.

Unter den Konsolen verläuft ein auffallend niedriger Zahnschnitt, der am Modell selbst höher zu sein scheint – als eine Reaktion auf die Untersichtigkeit des Gesimses am Modell kann dies aber kaum interpretiert werden, da diese am Bau selbst noch stärker ausfällt.
Fries: Die Frieszone ist vollständig leer, was hinsichtlich der ursprünglich vorhandenen „Hieroglyphen“ Bramantes auffällig ist: Eine Füllung des Frieses z. B. mit einer Inschrift, wie es später erfolgte, scheint Sangallo nicht vorgesehen zu haben, denn auch am Modell oder in Salamancas Stichen fehlt jeglicher Hinweis darauf.
Architrav: Obwohl die – wohl ausschließlich – hier mit allen Maßen wiedergegebenen Ornamente des dreifach faszierten Architraves (Perlstäbe) entsprechend ihrer unterschiedlichen Stärke auch unterschiedliche Längen der Einzelelemente aufweisen, versucht der Zeichner, diese vertikal unter einander anzubringen, was sich möglicherweise ebenfalls auf eine zur Veröffentlichung vorgesehene Vorlage zurückführen ließe.

 

 




Maßangaben
palmi






Gesamthöhe des Gesimses 8 1/2



Abstand der Konsolen untereinander 3 1/3



Breite der Konsolen 1 3/4



Lotmaß der Konsolen (oben) 2 5/12



Lotmaß der Konsolen (unten) 5 5/6



Breite der Klötzchen des Zahnschnitts [—] 11/12



Distanz der Klötzchen [—] 5/12



Höhe des Frieses 9 1/2



Lotmaß des Frieses 8 2/3



Höhe des Architravs 8 1/2



 

91.2.2.2 Basenprofil der „12-palmi-Ordnung“

POSITION: linke untere Ecke der rechten Blatthälfte
TECHNIK: teilweise freihändige Feder in hellem Braun über Vorzeichnungen mit Feder und Voritzungen; Lineal;
HAND: AD
MASSANGABEN / GRUNDMASS: „p 2 11/12“ / „palmo del modello
MASSSTABungefährer Gesamtmaßstab der Zeichnung: ca. 1 : 30
 

 








Beispielwerte
palmi
mm Maßstab














Gesamthöhe Basis und Plinthe 7 [—] = 50 1 : 31







Lotmaß zum Pilasterschaft 2 11/12 = 23 1 : 28







Höhe der Plinthe 2 1/4 = 17 1 : 30







Kommentar: Die Zeichnung gibt – in ungefährer räumlicher Übereinstimmung zur darüber stehenden Darstellung des Gebälks – in der üblichen Kombination aus annähernd orthogonalperspektivischem Aufriss und Profilschnitt die Pilasterbasis der großen Innenordnung sowie – in deutlich flüchtigerer Darstellung – die dieser entsprechend angepasste Basis der Kämpferordnung wieder. Die Genauigkeit der Wiedergabe zeigt sich u. a. in der Bemaßung der Auskehlung über dem unteren Torus, wobei der Zeichner auch die verdeckte Körperkante darstellt. Der Versuch, den annähernden Modellmaßstab von 1 : 30 einzuhalten führt dazu, dass einige Werte – besonders der Lotmaße – sehr eng beeinander stehen und in sehr kleiner Schrift notiert werden mussten.

 

 




Maßangaben
palmi






Gesamthöhe der Basis mit Plinthe 7 [—]



Höhe des oberen großen Torus’ 1 [—]



Höhe der mittleren Basiszone 1 11/12



Höhe des unteren Torus’ 1 5/12



Höhe der Plinthe 2 1/4



Höhe des Sockels der Kämpferordnung 3 5/6



 

91.2.3 Profil der Kapitellzone der dorischen Kämpferordnung

POSITION: rechts von der Mitte am oberen Rand der rechten Blatthälfte
TECHNIKteilweise freihändige dünne Feder in hellem Braun über wenigen Graphitvorzeichnungen; Lineal
HAND: AD
MASSANGABEN / GRUNDMASS: „p 2 7/12“ / „palmo del modello
MASSSTABungefährer Gesamtmaßstab der Zeichnung: 1 : 30
 

 








Beispielwerte
palmi
mm Maßstab














Gesimshöhe 3 1/4 = 24 1 : 30







Höhe der ‘Frieszone’ 2 2/3 = 20 1 : 30







Höhe der Halsrings [—] 2/3 = 6 1 : 25







Anmerkung: Auch in dieser Zeichnung versucht der Zeichner also teilweise, den Modellmaßstab einzuhalten, verlässt diesen und damit die Proportionsgerechtigkeit jedoch, um kleinere Details übersichtlicher zu zeigen.

Kommentar: Die Darstellung zeigt in der Kombination aus Aufriss und – ausnahmsweise nach links gewendetem – Profil das an das Profil des dorischen Kapitells angelehnte Gesims der in die große Innenordnung eingestellten Kämpferordnung mit allen Maßangaben. Die dazugehörige Basis ist schon links in Teilzeichnung [91.2.3] wiedergegeben. Deshalb vermisst man eine Darstellung des zugehörigen Pilasterspiegels umso mehr, dessen oberes Ende hier zwar angedeutet ist, aber keinerlei Profilierung oder andere Ornamente bzw. Maßangaben zu seiner Breite oder Höhe aufweist.

 

 




Maßangaben
palmi






Höhe des Gesimses 3 1/4



Höhe der ‘Frieszone’ 2 2/3



Höhe des ‘Halsrings’ [—] 2/3



 

91.2.4 Rahmenprofil

POSITION: rechte obere Blattecke
TECHNIK: dünne Feder in hellem Braun; Lineal
HAND: AD
MASSANGABEN / GRUNDMASS: „p 1 7/12“ / „palmo del modello
MASSSTABungefährer Gesamtmaßstab der Zeichnung: 1 : 30
 

 








Beispielwerte
palmi
mm Maßstab














Gesamthöhe des Profils 1 7/12 = 12 1 : 29







Teilhöhe des Profils [1] 1/4 = 9 1 : 31







Kommentar: Dargestellt ist die rechte obere Ecke eines relativ einfachen rechteckigen Rahmenprofils. Da eine genauere Angabe über den Bestimmungszweck und Hinweise auf die Gesamtausdehnung des von dem Rahmen umschlossenen Wandfeldes bzw. der Öffnung fehlen, kann nur vermutet werden, dass es sich um den Rahmen der unterhalb des Gebälks der 12-palmi-Ordnung in die Wand eingelassenen Öffnungen handelt, die als Mündungen der Lichtschächte aus den Umgangsobergeschossen in den Apsiden der Kreuzarme dienen.

 

91.2.5 Ädikula des Innenraums

Den größten Raum dieser Blatthälfte nimmt die Darstellung der Ordnung der Ädikulen aus dem Innenraum ein, welche die Eingänge zu den Umgängen und die flachen rahmen, die durch Schließung der 40-palmi-Nischen im Zuge der Anhebung des Fußbodenniveaus unter Sangallo (ab 1538) entstanden. Die Darstellung der Ädikula umfasst wiederum mehrere Einzelzeichnungen, deren Zusammengehörigkeit nur durch ihre räumliche Anordnung auf dem Blatt deutlich wird.

Der Entwurf für die Ädikulen geht ebenfalls auf Sangallo zurück. Die vorliegende Darstellung, zu der es in dieser Ausführlichkeit der Maßangaben keine Parallele gibt, stellt demnach ein wichtiges Zeugnis für Sangallos Verständnis einer vorbildlichen Korinthia dar, die er unter Verwendung der aus Alt-St.-Peter zu übernehmenden Säulenschäfte und Kapitelle formulieren musste. Wie die Rechnungen der Fabbrica di San Pietro ausweisen, wurden sowohl die Säulen als auch die Kapitelle überarbeitet: Für die Säulen wird der Ausdruck ‘pulire’ (also wörtlich: reinigen) gebraucht, während die meisten Abrechnungen für Kapitelle suggerieren, diese wären nicht nur überarbeitet, sondern sogar neu angefertigt worden.

Da eine Maßangabe für die Länge und ebenso für den Durchmesser der Säulenschäfte in der vorliegenden Zeichnung trotz aller sonst gegebenen Genauigkeit fehlt, bleiben zwei der grundlegenden Maße für die Proportionierung der Ordnung hier unbestimmt.

Bemerkenswert ist, dass die Zeichnungen weitgehend, aber nicht vollständig, dem Modellmaßstab entsprechen: Damit könnte ihre Vorlage zur Herstellung der entsprechenden Modellbestandteile gedient haben. Es bleibt dagegen aber auch hier der Einwand gültig, dass die Genauigkeit der Maßangaben weit über das am Modell in Holz reproduzierbare Maß hinausging. Da zudem zumindest einige der Ädikulen noch unter Sangallo ausgeführt wurden, sind diese Zeichnungen eher als ein Beleg für die Planungen zum Bau selbst anzusehen und stützen somit die These von der Nähe des Zeichners zum Planungsgeschehen.

 

91.2.5.1 Kapitell, Gebälk und Giebel der Ädikula

POSITION: im oberen Drittel der rechten Blatthälfte
TECHNIKin den Ornamenten teilweise freihändige dünne Feder in hellem Braun über wenigen Graphitvorzeichnungen und Vorritzungen; Lineal
HAND: AD
MASSANGABEN / GRUNDMASS: „p 7 7/12“ / „palmo del modello
MASSSTABungefährer Gesamtmaßstab der Zeichnung: 1 : 30

 

 








Beispielwerte
palmi
mm Maßstab














Mittelhöhe des Giebelfeldes 4 2/3 = 39 1 : 27







Gesimshöhe 3 1/3 = 22 1 : 30







Frieshöhe 3 [—] = 21 1 : 32







Architravhöhe 3 1/6 = 24 1 : 31







Kommentar: Die Teilzeichnung zeigt die rechte Hälfte des Dreiecksgiebels im orthogonalperspektivischen Aufriss mit allen Maßen des rechts im Profil wiedergegebenen Gebälks, sowie das ebenfalls mit vielen Maßangaben versehende Kapitell. Da eine vergleichbare Darstellung für die alternierenden Segmentgiebel fehlt, wird man annehmen dürfen, dass diese eine identische Profilierung des Geison sowie eine entsprechend identische Mittelhöhe des Giebelfeldes aufweisen sollten. Allerdings bleibt dabei der Wert für den Radius des Kreissegments unbestimmt bzw. nur sehr umständlich zu bestimmen, zumal eine Maßangabe für die Breite des Giebels hier ebenfalls fehlt.

Das korinthische Kapitell ist – wie schon das Gesims der 12-palmi-Ordnung, es gelten hier daher die selben daraus abgeleiteten Vermutungen über die Vorlage – mit Schraffuren plastisch gestaltet. Seine Darstellung zeigt jedoch eine Unklarheit auf: Die wie in die Fläche abgerollte, flache Frontalansicht sowie die entsprechend im Profil wiedergegebene Seitenansicht der Kapitellblätter erwecken den Eindruck, als handele es sich hier um ein Pfeilerkapitell über quadratischem Grundriss, zumal auch das obere Ende des Säulenschaftes jeglichen Hinweis auf einen runden Querschnitt vermissen lässt. Im rechten oberen Bereich, vor allem an der Deckplatte, lässt der Zeichner die Darstellung unvollständig, wohl um eine Überschneidung mit dem schon vorhandenen Architrav zu vermeiden. Der Gebrauch von horizontalen Hilfslinien für die Darstellung lässt wie schon die ebenfalls auf eine Vorlage schließen.

 

 




Maßangaben
palmi






lichte Höhe des Giebelfeldes (innen) 4 2/3



Höhe des Gesimses 3 1/3



Höhe des Polsterfrieses 3 [—]



Höhe des Architravs 3 1/6



Lotmaß des Polsterfrieses (seitliche?) 2 1/2



Höhe des Kapitells (Nebenskizze) 4 5/6



Höhe des Kapitellshalsrings [—] 5/12



Höhe der Deckplatte [—] 5/6



 

91.2.5.2 Profile der Basen der Ädikula und der Nischen-Kämpferordnung

POSITION: am rechten Rand unten in der rechten Blatthälfte
TECHNIK: in den Profilen freihändige, dünne Feder in hellem Braun über Vorritzungen; Lineal
HAND: AD
MASSANGABEN / GRUNDMASS: „p 2 7/12“ / „palmo del modello
MASSSTABungefährer Gesamtmaßstab der Zeichnung: 1 : 30
 

 








Beispielwerte
palmi
mm Maßstab














Höhe des Sockels 4 [—] = 30 1 : 30







Gesamthöhe der Basis 3 2/3 = 27 1 : 30







Höhe der Plinthe der Kämpferordnung 2 7/12 = 20 1 : 29







Kommentar: Unterhalb des Kapitells aus [91.2.5.1] erscheint die dazugehörige Basis mit Plinthe, die durch die Verlängerung der Horizontalen mit der rechts daneben stehenden Basis und Sockelung der Kämpferordnung verbunden ist. Zum Teil winzig geschriebene Maßangaben geben die Werte für die feine Profilierung der Ädikulenbasis wieder. Ein Hinweis darauf, dass es sich hier um die wieder zu verwendenden antiken Spolien Alt-St.-Peters handelt, findet sich nicht – obwohl man bei dem durch die vielen erhaltenen Zeichnungen im Codex Destailleur D dokumentierten Interesse des Zeichners für die Antike einen solchen Hinweis durchaus erwarten dürfte. Dass es sich um antike Spolien handelte, war im Sangallo-Umkreis bewusst, wie die Darstellung des rekonstruierten Hadrians-Mausoleums im Labaccos „Libro Appartenente all’Architettura“ zeigt,8 von dem neben den Säulen sicherlich auch die meisten Basen und Kapitelle von Alt-St.-Peter stammten.

 

 




Maßangaben
palmi






Gesamthöhe der Basis mit Plinthe 3 2/3



Höhe der Plinthe der Kämpferordnung 2 7/12



Höhe der Plinthe der Basis [—] 5/6



Höhe des Sockels 4 [—]



91.2.5.3 Schnitt durch die Ornamentschicht des Kapitells

POSITIONam rechten Blattrand etwas unterhalb der Mitte
TECHNIKfreihändige dünne Feder in hellem Braun
Kommentar: Die Art der Darstellung verwundert insofern, als sie in deutlichstem Kontrast zu der nebenstehenden sauberen Aufrissdarstellung steht: Sie erweckt daher den Anschein, als habe sie dem Zeichner in seiner Vorlage nicht zur Verfügung gestanden, obwohl die Vielzahl der hier wiedergegebenen Maßangaben dagegen sprechen könnte. Da aber der Zeichner im Aufriss die Horizontalen nach links verlängert hatte, dies jedoch gerade nicht nach rechts tat, wo sie für eine einheitliche Darstellung von Aufriss und Schnitt am nützlichsten gewesen wären, spricht für einen (wenn auch vielleicht aufgrund der gleichen Feder und Tinte als nur gering einzuschätzenden) zeitlichen Abstand in der Entstehung beider Teilzeichnungen. Dasselbe gilt für den Kapitellgrundriss.

 

91.2.5.4 Grundriss-Skizze des korinthischen Kapitells

POSITIONrechte untere Blattecke
TECHNIK: freihändige dünne Feder in hellem Braun
Kommentar: Die sehr flüchtige Skizze des Kapitellgrundrisses fällt ebenso wie der Schnitt durch die Ornamentschicht [91.2.5.3] deutlich gegenüber der sauberen Darstellung des Aufrisses in [91.2.5.1] ab. Immerhin bemüht sich der Zeichner aber, die Zusammengehörigkeit beider Teilzeichnungen dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass er den Grundriss in senkrechter Verlängerung des Säulenschaftes unter das Kapitell positioniert. Trotzdem sprechen die Art der Ausführung wie auch die Positionierung unterhalb der Basis dafür, dass der Zeichner diese Darstellung ebenso wie den Schnitt durch die Ornamentschicht ursprünglich vergessen oder aber dafür keine Vorlage hatte.

Die Spannweite zwischen zwei Voluten ist hier mit „p 6 1/3“ angegeben, die Breite einer Volutenseite mit „7/12“. Das Fehlen der vierten Kapitellblüte ist kein Versehen des Zeichners, sondern darin begründet, dass die Kapitelle der Ädikulen direkt an die Rückwand stoßen.

 

91.2.5.5 Archivoltenprofil der Nischenrahmung

POSITION: etwas unterhalb des Zentrums der rechten Blatthälfte, unter dem Architrav aus [91.2.5.1]
TECHNIK: dünne Feder in hellem Braun; Zirkel; Vorritzungen
HAND: AD
MASSANGABEN / GRUNDMASS: „p 2 1/12“ / „palmo del modello“
MASSSTABungefährer Gesamtmaßstab der Zeichnung: 1 : 32
Kommentar: Die – wie schon der Ädikulengiebel – sehr sauber ausgeführte Zeichnung gibt ein Segment des Bogens in Aufriss und Profil wieder, der die in die Ädikulen eingestellten Nischen überfängt. Während alle Maßangaben eingetragen scheinen, fehlt wiederum jeglicher Hinweis auf den Radius des Bogens. Außerdem ist zwar die Berührung zwischen Architrav der Ädikulen und Bogen angegeben, jedoch keine Verbindung zum darunter wiedergegebenen Kämpfergesims. Auch hier lässt die Ausführung sowie die enge Kombination mit dem Ädikulengiebel an eine Art Stichvorlage denken. Die gesamte Breite des Archivoltenprofils beträgt „p 2 3/4“.

 

91.2.5.6 Profil der Kämpfergesims der Ädikulennische

 

POSITIONunterhalb von [91.2.5.1] und [91.2.5.5] (unterhalb des Zentrums der rechten Blatthälfte)
TECHNIK: nur in wenigen Profillinien freihändige, dünne Feder in Braun; Lineal; Vorzeichnungen
HAND: AD
MASSANGABEN / GRUNDMASS: „p 1 1/12“ / „palmo del modello
MASSSTABungefährer Gesamtmaßstab der Zeichnung: 1 : 31,4
Kommentar: Die Zeichnung zeigt – ohne dass dies aus einer direkten Beziehung zu den umgebenden Darstellungen eindeutig hervorginge – offensichtlich Aufriss und Profil des Kämpfergesimses, welches den in [91.2.5.5] dargestellten Nischenbogen trägt. Da das zugehörige Basenprofil dieser Ordnung schon in [91.2.5.2] dargestellt wurde, kann man in der vorliegenden, sehr sauber ausgeführten Zeichnung lediglich Angaben über Breite, Länge und Tiefe des Pilasterschaftes vermissen. Die Höhe des Gesimses beträgt „p 2 1/4“, die der ‘Halszone’ „2/3“ [palmi].

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